Bertold Kamm 1926 – 2016

Am 16. April fand in Nürnberg die Trauerfeier für unser verstorbenes Gründungs- und Ehrenmitglied Bertold Kamm,  Erster Vizepräsident des Bayerischen Landtags, a.D., in Anwesenheit seiner Familie und Vertreter aus Politik und Gesellschaft statt. Unser Vorsitzender Dr. Helmut Ritzer würdigte dabei den Verstorbenen in einer Trauerrede. 

Liebe Familie Kamm, verehrte Trauerversammlung,

wr vom Bund Widerstand und Verfolgung in Bayern nehmen Abschied von unserem langjährigen Vorsitzenden, unserem Ehrenmitglied und dem Spiritus Rektor unserer Gemeinschaft, deren Ziel es ist,  die Erinnerung an Widerstand und Verfolgung lebendig zu halten und das Erbe der Widerstandskämpfer und Verfolgten zu bewahren. 

Bertold Kamm, der Verfolgung als Schicksal  erleben musste, war geradezu prädestiniert für die Aufgabe, den von Widerstand und Verfolgung in Bayern Betroffenen und deren Familien einen Verband  zu organisieren, der deren Interessen  wahrnehmen und ihr Vermächtnis pflegen sollte.

Als Achtjähriger hat er erlebt, wie der Vater im KZ Heuberg in Ulm in sog. Schutzhaft genommen wurde, als Achtzehnjähriger war er selbst Opfer der Gestapo, die ihn in ihrer berüchtigten Zentrale am Morzinplatz in Wien festhielt und folterte, weil er sich für die katholische Jugendorganisation Neudeutschland engagiert hatte. Nur die Einberufung zur  Wehrmacht, zu einer Fallschirmeinheit, wohin er sich freiwillig gemeldet hatte, rettete ihn. Der ganze menschenverachtenden Zynismus der Nazis wird an dieser Behandlung deutlich, Kinder als Kanonenfutter…

Bertold war deshalb immer bereit, sich als Zeitzeuge zur Verfügung zu stellen, in Schulen, bei Gedenkveranstaltungen und in der öffentlichen Diskussion. Für  ein Engagement in der Verbandsarbeit fand er erst nach seiner beruflichen Tätigkeit  Zeit, für die Arbeitsgemeinschaft der verfolgten Sozialdemokraten in Nürnberg  ab 1996  und für den Bund Widerstand und Verfolgung in Bayern ab 2004.

Zusammen mit Max Mannheimer, Dr. Ernst Raim und Jürgen Maruhn  sorgte Bertold als Vorsitzender dafür, den Verband als überparteiliche Organisation aufzustellen, in der sich alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Bayern integrieren ließen. Die damalige Vorsitzende des Zentralverbandes demokratischer Widerstandskämpfer- und Verfolgtenorganisationen, die frühere Bundestagspräsidentin Annemarie Renger hatte Bertold  ausdrücklich gebeten, sich für diese Arbeit zur Verfügung zu stellen, auch um für den Zentralverband eine starke bayerische Gliederung  zu  gewinnen. Bertold ist es gelungen, für den neuen Verein  viele neue Mitglieder  und Unterstützer zu gewinnen, mit seinem Einfühlungsvermögen, seinem schwäbischen Charme und der ihm eigenen, uns allen vertrauten Hartnäckigkeit.

Bertold Kamm ist ein großer Verlust, auch für unseren Verband und für uns, die wir mit ihm zusammengearbeitet haben. Bertold hätte mir gesagt, Du musst bei einer solchen Gelegenheit schon ein Wort sagen, was der Verlust der Zeitzeugen bewirkt und wie er unsere Gesellschaft herausfordert.

Dieser Verlust zwingt zu anderen Formen der Erinnerungsarbeit, die jetzt so wichtig ist wie eh und je. Die Arbeit der Gedenkstätten in Dachau und Flossenbürg, der Dokumentationszentren in Nürnberg und München muss gerade jetzt noch mehr gestärkt werden. Die Gedenkveranstaltungen zum 27. Januar, dem Tag der Befreiung des  Konzentrationslagers Ausschwitz , zum 8. Mai, dem Tag der Befreiung Deutschlands vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, zum  20. Juli, dem Gedenktag an die deutsche Widerstandsbewegung und zum 9. November, dem Tag der Novemberpogrome müssen als Erbe und Verpflichtung bewahrt und gepflegt werden.

Erinnerungsarbeit ist der ständige Appell zu begreifen, dass Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeit sind, dass um sie gerungen werden muss, damit jene zurückgedrängt werden, die ihr Geschäft mit der Geschichtsvergessenheit vieler Bürgerinnen und Bürger machen wollen.

Wir danken Bertold Kamm für sein lebenslanges Engagement für Freiheit und Demokratie, für Menschenwürde und eine offene Gesellschaft. Wir verneigen uns vor seiner Lebensleistung. Er bleibt für uns und für unsere Gesellschaft als Ganzes ein Vorbild.

Helmut Ritzer, 1. Vorsitzender BWV Bayern.

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